Dieser text wurde für ein inklusionsprojekt verfasst, das aktuell am entstehen ist.
Das normalisierungsprinzip ist das gegenteil von inklusion.
Und doch organisieren sich heime danach. Normal ist aber gar nicht unser ziel.
Zumindest nicht das, was ohne uns definiert wurde und bei dem wir immer
versagen. Solange es normal gibt, gibt es uns andere, draussen. Die, die nicht
können oder tun: nicht sprechen, nicht sehen oder hören, nicht laufen, nicht
allein anziehen, nicht schnell genug mit den händen arbeiten oder mit dem kopf
lernen. Nicht normal. An denen dann betreuys und therapeutys in den heimen
täglich ziehen wie an gras, das aber deshalb auch nicht schneller auf
normgrösse wächst – oder überhaupt.
Inklusive leben heisst, dass nicht die einen die anderen
benennen, beschreiben, bewerten und bestimmen, was sie tun und lassen sollen,
wieviel abweichung von ihrer norm akzeptabel ist. Niemand ist behindert, weil
niemand normal ist und deshalb das umfeld eben nicht für eine bestimmte gruppe
optimal angepasst ist, sondern so konstruiert, dass es für alle passt.
Stellt euch vor, man bekäme nicht nur krücken bei einem
gipsbein und danach reha, sondern ebenso leicht assistenz und training für das
zeigen auf sprachzeichen, wenn jemand nicht mit dem mund spricht oder alleine
tippen kann. Damit eben alle mitreden können, nicht nur die, die für
intelligent genug gehalten werden, eine meinung zu entwickeln und gehört zu
werden, weil sie normal genug aussehen, körperlich funktionieren oder handeln.
Normal genug für die mehrheit oder die meinungsmacher, die bestimmen, was
normal ist.
Inklusiv leben heisst, dass es nicht eine richtige art
gibt, wie sich menschen treffen und unterhalten; nämlich live, analog und
unverhüllt mündlich. Und dann wird von den fans dieser variante rumgeheult,
wenn das mal nicht geht, zum beispiel wegen einer pandemie. Und menschen, die
andere varianten brauchen oder bevorzugen, werden pathologisiert und ausgegrenzt,
ausser sie passen sich an oder lassen sich umtrainieren. Von normalen
normalisierungstherapeutys.
Das gelingt natürlich nie ohne qualen für die unnormalen,
und es gelingt nie ganz; nie so, dass es natürlich genug wirkt, normal
rüberkommt. Aber die normalen sind ja tolerant, wenn andere sich wenigstens
anstrengen, ein bisschen weniger aus ihrem rahmen zu fallen oder wenigstens ein
paar klischees zu erfüllen. Toleranz ist übrigens auch ein gegenteil von
inklusion.
Dabei ginge es nämlich allen besser, wenn wir endlich das
normal wegwerfen und in varianten und möglichkeiten leben. Allen ausser denen,
die sich an ihre definitionsmacht krallen und an ihr norm-privileg. Aber die
lernen es auch noch. Normal ist nämlich niemand, nicht ganz, nicht ohne qualen.
Normal ist eine horrorgeschichte, die uns angst machen soll davor, uns eine
bessere welt zu schaffen für alle.